Handout zur Vorlesung

 

Wirtschaft II

Die deutsche Wirtschaft heute

1.1.Deutschland nach der Wiedervereinigung:

Mit der Öffnung der Grenzen kam es zu sozialen Turbulenzen in Europa

- vgl. die Zeit nach dem 2. Weltkrieg:

- die internationalen Beziehungen formieren sich neu

- Wandlung der gesellschaftlichen Ordnung

- Änderung der sozialen Strukturen in vielen europäischen Staaten von Grund auf

Bei diesem gesamteur. (vielleicht sogar globalen) Transformationsprozeß bleiben die polit., wirtsch. und soz. Veränderungen, die zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten geführt haben, eingebettet.

Die Verwirklichung der dt. Einheit, die Überwindung der inneren Teilung und die Sicherung der wirtsch. Leistungsfähigkeit werden im kommenden Jahrzehnt die Energie der Deutschen nach innen lenken. Diese erwähnten Aufgaben sind so groß, daß die Probleme der anderen Staaten in Europa in Vergessenheit geraten können. Ob die geäußerte Befürchtung, daß das neue Dt. nationalistisch und selbstbezogen ist, wo die alte BRD liberal, offen und tolerant war, wird die Zukunft zeigen.

Die Ostdeutschen fühlen sich im neuen Deutschland heimat- und orientierungslos und der europäische Gedanke ist ihnen bis jetzt fremd gewesen.

Dt. hat sich nach 1989 mehr geändert, als den meisten Deutschen lieb ist und als die meisten nach dem Fall der Mauer hatten vorstellen können:

Nach den Absichten der Machteliten in Westdeutschland sollte das neue Dt. wie das alte sein, nur mit 5 neuen Staaten erweitert.

Einheitsformel: Wir sind ein Volk - riesige Erwartungen der ehemaligen DDR-Bürger. Von Bundesregierung und Bundeskanzler wurde dann auch folgerichtig nach November 1989 in der DDR eine Erwartungs- und Einigungseuphorie geschaffen, die ihren tiefen Grund in der Aussicht auf eine schnelle Anhebung der Lebensverhältnisse auf Westniveau hatte.

Diese "Absichten" waren politisch sinnvoll, wirtschaftlich gesehen zeugte es aber von wenig Weitsicht. Man wußte zwar, daß die DDR wirtschaftlich ziemlich abgewirtschaftet war (das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt der DDR Ende 1989 war nicht höher als das der BRD im Jahre 1954), man wußte aber nicht, wie groß die finanziellen Belastungen sind, die auf die BRD zukommen werden.

Also: fehlende wirtschaftliche Weitsicht:

- wegen mangelnder Kenntnis des Zustandes der DDR-Wirtschaft

oder

- wegen eines allzu naiven Glauben an die Wunderwirkung marktwirtschaftlicher Ordnungspolitik???? (Sieg der Marktwirtschaft über die Planwirtschaft)

Der Eindruck entstand, daß die Transformation der DDR-Gesellschaft und die Integration der Menschen in die BRD-Gesellschaft ohne menschliche Opfer und ohne soziale Konflikte zuwege gebracht werden könnten.

Optimismus (1990):

- "Zweites Wirtschaftswunder"

- Helmut Kohl, Kanzler der Einheit, versprach, daß es keinem schlechter, dafür aber vielen besser gehen werde und daß keiner wegen der Vereinigung auf etwas verzichten müsse.

- Helmut Schmidt, Ex-Kanzler, kritisierte später die Politiker, daß sie den Eindruck erweckt hatten, die deutsche Einheit lasse sich aus der Portokasse des Bundeskanzleramtes bezahlen.

Es mag vielleicht der schwerste Fehler im Einigungsprozeß gewesen sein, die Illusion erzeugt zu haben, daß die wirtschaftliche und soziale Integration ohne gemeinsame Anstrengungen und ohne persönliche Einschränkungen möglich sei.

 

1.2 Wirtschaftliche Folgen (Probleme) der dt. Vereinigung.

Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion

- DM als das einzig gültige Zahlungsmittel: Umtauschprobleme

Löhne, Gehälter, Renten, Mieten: 1 Ostmark = 1 DM

Sparguthaben:

0-14 Jahre: bis 2000 Mark

15-59 Jahre: bis 4000 Mark

Über 60 Jahre: bis 6000 Mark

- Treuhand (Holdinggesellschaft): zwischen Privatisierung und Sanierung (Abwicklung)

Aufgabe: die Umgestaltung der DDR-Wirtschaft durch die Privatisierung des gesamten volkseigenen Vermögens. Die Treuhandanstalt wurde damit Eigentümer fast aller Unternehmen in der DDR, 60% des Grund und Bodens gingen in ihren Besitz über.

- Mit der Einführung der DM im Osten: Osten nicht konkurrenzfähig mit Westen: Rückgang der Produktion (1991 um über 20%), Handel mit Osten - Krise: DM-Zahlung, Konsumverhalten der DDR-Bürger:Westwaren statt Ostwaren

- Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit: 1991: in den neuen Bundesländern fehlten 3 Mio Arbeitsplätze: Beschäftigungsförderung/Maßnahmen: Umschulung, Fortbildung und Arbeitsbeschäftigungsmaßnahmen (ABM): Arbeitsplätze werden für eine Zeit finanziell unterstützt. Ziel der ABM: die Verminderung der Zahl der Arbeitslosen + die Schaffung von Dauerarbeitsplätzen.

- Preise: In der DDR waren die Preise künstlich billig durch staatliche Subventionen (Grundnahrungsmittel, Mieten, öffentliche Verkehrsmittel usw.) Wohnen: 58% teurer

- Einkommen: Unterschiede zwischen Ost und West: 1989 verdiente ein DDR-Bürger 43% dessen, was ein BRD-Bürger bekam. 1995: westliches Niveau sollte im Osten erreicht werden (20% pro Jahr), aber für das Jahr 1996 beträgt die Zahl 87%.

ABER: Den massiven Lohnsteigerungen folgt jedoch kein entsprechender Anstieg der Produktivität: ostdt. Produktion entspricht 55% (1996) des Westniveaus

- Lebensstandard (im Osten): erhöht. Kaufkraft erhöht, besonders für Arbeitsnehmer und Rentner

Jahre mit Kollektiveigentum und Verbot privater Initiative haben die Menschen geprägt ----

Man braucht ZEIT und GEDULD

Bis 1995: Westdt. und ausländische Unternehmen beabsichtigten, mehr als 113 Milliarden DM in den neuen Bundesländern zu investieren.

 

1.3 Wirtschaftliche Folgen der Einigung für Westdeutschland

- Nachfrage nach westl. Produkten (bes. 1990-1991): Wirtschaftswachstum 1990 stieg auf 4,6%

- Transferzahlungen 1992: 180 Milliarden: ein Viertel des Bundeshaushalts. Kredite aufnehmen: Verschuldigung des Staates. Außerdem: höhere Steuern

- Die Steuerzahler müssen zur Finanzierung der Einigung beitragen: 1991-1992: Sonderabgabe (Solidaritätszuschlag): 7,5% der Einkommen- und Körperschaftssteuer pro Bundesbürger. Seit 1995 gibt es den Solidaritätszuschlag wieder (1998: 5.5%)

- Mineralölsteuer, Mehrwertsteuer, Sozialabgaben: Erhöhungen

- Weitere Steuererhöhungen sind nötig: es bleibt die Frage: in welchem Maße sind die Westdeutschen bereit, zugunsten der Ostdeutschen auf einen Teil ihres Wohlstands zu verzichten?

- Inflation 4% 1992. Deutschland nicht mehr ein preisstabiles Land. Aber 1996: 1.4% (alte BL) und 2.2% (neue BL).

 

1.4 Die verschiedenen Wirtschaftszweige in Deutschland

- 75% der Betriebe haben weniger als 50 und 20% haben 50-500 Beschäftigte.

ABER: Mehr als die Hälfte aller Beschäftigten arbeitet in Betrieben mit über 500 Angestellten

-Das Rückrat der deutschen Wirtschaft ist die Industrie : Fast die Hälfte aller Beschäftigten arbeiten in der Industrie/Handwerk

- Energie: Steinkohlvorkommen im Westen und Braunkohlvorkommen im Osten. Kernkraft, Öl, Gas.

- Chemie: Ostdt: Schwefelsaüre, Natriumoxid, kalziniertes Soda.

Westdt: veredelnde Chemie- und Arzneimittelindustrie

- Metallurgie: Roheiesen und Rohstahl.

- Maschinen- und Apparatebau: Maschinenbau: der wichtigste Industriezweig. Elektrotechnische und elektronische Industrie sehr umfangsreich

- Kraftfahrzeuge: Westdt.: einer der bedeutendsten Produzenten von Autos, Lastwagen und Bussen in der Welt

- Das Handwerk: Große Bedeutung in D, trotz der Industrialisierung - Spezialfertigungen

Die andere Hälfte der Beschäftigten arbeiten mit Dienstleistungen, Handel/Verkehr und in der Landwirtschaft (Strukturwandel)

 

1.5 Die Steuern in Deutschland

- 2/3 der Steuerquellen stammen aus der Mehrwert-, der Einkommen- und der Gewerbesteuer.

- föderalistisches Prinzip: die Länder sind selbständig - führt also zu gewissen Problemen wegen der ungleichmäßigen Verteilung der Steuereinkünfte. Grundgesetz: Finanzausgleich bei Ländern und Gemeinden. Reichere Bundesländer (Bayern, B-W, Hessen) unterstützen die ärmeren (die neuen Bl.) finanziell

 

2. Die deutsche Wirtschaft international

2.1 Der deutsche Außenhandel

- Wirtschaftswunder nach dem 2. Weltkrieg

- Made in Germany - Qualitätszeichen

- starke Nachfrage nach dt. Prod. aus dem Ausland: 1986: die BRD das größte Exportland der Welt. 1998: zweites Exportland der Welt.

- 60% der Ausfuhren sind Autos, Maschinen, chemische und elektronische Produkte

- auch Nahrungs- und Genußmittel, Eisen, Stahl und Textilien

- Import: Rohstoffe und Halbfabrikate

Ursachen:

- Preisstabilität - dt. Waren billig, dt. Unternehmen wurden von einem Kauf im Ausland abgeschreckt.

- Warenqualitäten, Kundenservice, Zahlungsbedingungen, technisches Know-how

Handelsbilanz: Überschuß (Ausfuhrüberschüsse) (Import-Export)

Nach der Wende sank der Überschuß in der Handelsbilanz von 107,4 Milliarden DM (1990) auf 29,8 Milliarden DM (1991). Aber 1996: 98 Milliarden DM.

 

2.2 Die wichtigsten Handelspartner

Die Partner der EU (bes. Frankreich), die USA, Japan, Österreich, die Schweiz

Dt. abhängig von der int. wirtsch. Lage und von guten Ausfuhrmöglichkeiten (keine Handelshindernisse). Wichtig für Dt.: ein offener, liberaler Welthandel mit möglichst wenigen Barrieren (Zölle, Einfuhrbeschränkungen usw.)

 

2.3 Deutschland und die EU

1951: Kohl- und Stahlunion (Benelux, Fr., It., die BRD)

1957: EWG (eur. Wirtschaftsgemeinschaft) und EURATOM (eur. Atomgemeinschaft )

1958: Inkrafttreten der römischen Verträge - später EG

1973: GB, Dänemark, Irland

1981: Griechenland

1986: Spanien, Portugal

1995: Finnland, Schweden, Österreich

1993: eur. Binnenmarkt (EU): freier Verkehr von Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital - wirtschaftlich der bedeutendste Markt der Welt - später (Ziel): Wirtschafts,- Währungs- und politische Union

BRD: die Wirtschaftskraft Nr. 1 in der EU

Die dt. Wirtschaft hat von der Einigung Europas profitiert:

- Abbau der Handelshindernisse (Mehr als 50% der dt. Exporte gehen in die anderen EU- Länder)

- durch die Unterstützung wirtschaftsschwächerer EU-Regionen konnten neue Märkte erschlossen werden

Dt. gehört zu den größten Nutznießern der EU, ABER bezahlt gleichzeitig 60% des gesamten EG-Finanzausgleichs (Unterstützung ärmerer Mitglieder)(1992): Dt.: der Zahlmeister der EU

Die dt. Wirtschaftskraft:

- einerseits: Bewunderung von Nachbarländern

- andererseits: Mißtrauen, Furcht

Viele Osteuropäer erwarten von der Hilfe Deutschlands wahre Wunder auf dem Weg zu Demokratie und Marktwirtschaft. ABER: sie fürchten auch seine wirtschaftliche Vorherrschaft ("DM-Imperialismus")

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